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Pannen und Probleme

  • Hägar
  • 30. Juli
  • 4 Min. Lesezeit

Liebe Freund:innen, ich habe ja im letzten Blog versprochen auch die Probleme, die wir bei der Überfahrt hatten näher zu beleuchten, damit Euch diese Dinge nicht passieren.

  1. Das erste Problem war schon kurz nach dem Ablegen in Den Helder. Unter Motor hatten wir die vorgeschriebene Beleuchtung angeschaltet, also Zweifarbenlaterne im Bug, Hecklicht und das weisse Dampferlicht. Als wir dann die Segel gesetzt hatten, wollte ich die Dreifarbenlaterne im Masttop anschalten und die anderen Lichter aus. Das wäre für den Stromverbrauch viel besser, da die 3-Farbenlaterne eine LED Leuchte hat, das Buglicht aber noch eine alte Glühfadenlampe ist.

    Leider ging die 3-Farbenlaterne nicht. Sie ging im letzten Jahr ohne Probleme, aber ich habe es versäumt vor dem Ablegen alle Lichter zu checken. Das sollte man tun, war ich doch zusammen mit dem LI vor dem Törn auf dem Schiff für die letzten Vorbereitungen, und wir hätten das wohl fixen können. Also blieb uns nichts weiter übrig als mit der Buglaterne und dem Hecklicht zu fahren. Das war immer noch vorschriftsmässig, aber hatte natürlich einen höheren Stromverbrauch zur Folge. Die Batterien haben aber gereicht und wir hätten ja auch noch den Generator gehabt. Durch die schon beschriebene Redundanz war dieses Problemchen nur ärgerlich, weil vermeidbar. Der LI ist aber schon dran die Kabelverbindung zu überprüfen.

  2. Das zweite Problem war deutlich gravierender und hatte ein riesiges Schreckpotential: nachdem wir ca. 10 h auf Backbordbug mit Wind von StB voll und bei bzw. am Wind gesegelt sind, hat Flo sehr aufmerksam bei seinem Blick unter der Genua nach Schiffen in Lee bemerkt: "da vorne hängt eine Want in der Luft". Puh, das war echt erschreckend. Ist doch vor kurzem beim Vereinsschiff Jeanne d'Arc durch einen Vorstagsbruch der Mast von oben gekommen.

    In einer kaum für möglich zu haltenden Geschwindigkeit war der LI (for our dear English speaking followers: Chief Engineer)-natürlich unter Selbstsicherung mit seiner Lifeleine- bei dem Leewant (BB vorderes Unterwant), und konnte schnell ein Schadensbild erstellen. Das Want war unversehrt, aber der Bolzen war weg. Glücklicherweise hat sich dieser, genau wie die Unterlegscheiben und der Splint, in der hohen Fußreling verfangen, und alles konnte gerettet werden. Es war doch tatsächlich so, dass der Splint nicht richtig auf mindestens 30° aufgebogen war. Das Leewant hatte in diesen Stunden in jeder Welle lose bekommen und so hat sich zunächst der Splint aus dem Bolzen herausgearbeitet. Dann hat sich der Bolzen aus dem Pütting gearbeitet, und das Want hing lose. Auf diesem Bug hatte es natürlich nichts zu halten und wir konnten erstmal weiterfahren. Es ist uns dann tatsächlich gelungen das Want in Voller Fahrt wieder einzuhängen, da der Mast ja nach BB drückte. Danach haben wir alle Splinte kontrolliert, bzw. weiter aufgebogen.

    Wie ich ja schon in einem vorherigen Blog erläutert habe, wurde die Verstagung komplett neu von einem guten Rigger in Medemblik vor 2 Jahren gemacht. Deshalb mein Rat an alle, die sich auf die Meere wagen: Überprüft Eure Splinte im Rigg vor jeder Fahrt, selbst wenn dies von Fachleuten schonmal gemacht sein sollte. Es gibt derer sehr viele (ca. 60), und nur einer davon nicht korrekt kann den Mast kosten. Ich kann Euch nur sagen, dass man ordentlich Angstschweiß verliert, wenn sowas mitten in der Nordsee passiert. Ich will das auf jeden Fall nicht mehr mitmachen. Danke nochmal an den LI Ralf das war große LI-Kunst hier ruhig und sachlich das Problem anzugehen. Aber so kennt man ihn ja.

  3. Das dritte Problem konnten wir dann auch mit unseren redundanten Systemen lösen. So ca. 20 sm vor der Englischen Küste, zeigte der Kartenplotter im Cockpit keine Tiefen und auch keine Tonnen mehr an. Später stellte sich heraus, dass die Karten, die ich gekauft hatte, zwar England beinhalteten, aber leider nur den Süden, und dort in Norfolk eben nicht mehr. Auch das habe ich versäumt, trotz der sorgfältigen Vorbereitungen, zu überprüfen. Wenigstens die Schiffe auf dem AIS wurden noch angezeigt, so dass wir den Plotter noch für die Kollisionsverhütung nutzen konnten, aber nicht mehr für die Navigation. Aber wie gesagt wir hatten ja im Navigationsrechner und auch in den Papierkarten und den nautischen Unterlagen noch 2 Redundanzen. Ab 4 sm vor der Küste hat dann der LI Ralf und unser Bosun Tatjana (das heutige kleine Rätsel: was ist ein Bosun?) unter Deck uns in den Hafen gelotst. Es gab zwar ein Leitfeuer, das wir auch eindeutig identifizieren konnten, aber die wechselnde Querströmung von bis zu 2 kn macht es wirklich schwierig gerade auf eine Punkt am Land in stockdunkler Nacht zuzufahren und den richtigen Vorhaltewinkel zu finden. Mit diesem Arrangement (Du bist zu weit rechts, steuer weiter nach BB, jetzt zu weit links.............) hat es dann aber geklappt.


Was habe ich aus dem ganzen gelernt, und vielleicht hilft es auch der Einen oder dem anderen unserer werten Leserschaft:

  • Die erste line of defence ist eine akribische Wartung und Überprüfung sämtlichen Equipments. Das kann man nicht oft genug und nicht gründlich genug machen.

  • Die zweite line of defence is so viele Systeme wie möglich redundant zu haben.

  • Die dritte line of defence ist es möglichst viel mit Bordmitteln reparieren zu können

  • Die vierte line of defence ist eine super Crew mit vielfältigen Kennnissen, Engagement und Mut auch über die Comfortzone hinauszugehen.

  • Die fünfte line of defence ist es externe Hilfe zu holen.

  • Und erst die sechste line of defence, wenn alles vorher gesagte nicht funktioniert hat, sind dann die Üblichen Sicherheitsfeatures wie Rettungsinsel, EPIRP usw.


Das war jetzt heute viel Text für heute, aber wir hoffen, dass der eine oder Hinweis jemandem helfen wird sicherere Törns zu machen.


Bleibt uns treu, weiters to come und vielen Dank an Sara für den Kommentar aus dem Norden :-)

Beste Grüße von Hägar und der England Crew


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2 Kommentare


bernd Schultze
bernd Schultze
30. Juli

Bosun ist in diesem Fall die "Bootsfrau" , ...Bootsmann ist bei Tatjana nicht passend.

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bernd Schultze
bernd Schultze
30. Juli

Die Spannung der Wanten sollte bei 10-15 % der Bruchlast der Wanten Drähte sein. Damit sollte auch bei am Wind Kurs immer Spannung auf der Leewant sein. Bei zu geringe Riggspannung kann das Rigg "arbeiten" und es kann bei Be-Entlastung zum lösen von Bolzen kommen und die Beschläge am Mast und Püttings werden stark belastet. Zu wenig Riggspannung ist Gift für das Rigg.

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